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Krise bestätigt, Reform vertagt

Bericht über die Warschauer Verhandlungen zu flexiblen Mechanismen

Dezember 2013 - Die Klimakonferenz von Warschau wurde von vielen Beobachtern als "Finanzierungskonferenz" bezeichnet. Während einige Fortschritte in diesem und anderen Feldern erzielt werden konnten, traten die Gespräche zu den neuen Marktmechanismen und zur Reform der bestehenden marktbasierten Instrumente auf der Stelle.

Brasilianischer Vorstoß

Die Konferenz begann mit einem unerwarteten Vorschlag von Brasilien. Dessen Vertreter schlugen vor, dass Klimaschutz­ maßnahmen aus der Zeit vor 2020 sowie Zertifikate aus CDM und JI-Projekten anrechenbar sein sollten auf die Verpflich­tungen des neuen Klimaabkommens, das ab 2020 gelten soll. Mit Bezug auf die Kyoto-Mechanismen schlug Brasilien zu­sätzlich vor, die freiwillige Löschung von CERs aus CDM-Projek­
ten stärker zu fördern und sie auch Privatunternehmen, der Zivilgesellschaft sowie Individuen zu ermöglichen. Der Vor­schlag enthielt auch die Möglichkeit für Vertragsstaaten, die freiwillige Löschung von CERs und ERUs mit den Beiträgen für das neue Abkommen zu verrechnen. Dies löste Stirnrunzeln bei vielen Beobachtern aus, denn bereits beim Übergang von der ersten in die zweite Kyoto-Verpflichtungsperiode hatten die großen Mengen überschüssiger AAUs in Osteuropa Pro­bleme bereitet. Andere erinnerten an die Krise der Kohlen­stoffmärkte und verwiesen auf das grundsätzliche Potential dieser Maßnahme, den Preisverfall bei CERs zu stoppen. Der Vorstoß erwies sich in dieser Form allerdings als nicht tragfä­
hig und wurde nicht weiter verfolgt. Der schließlich verab­schiedete Text zur „Durban Platform” enthält allerdings einen allgemeinen Aufruf an die Vertragsstaaten „to promote the voluntary cancellation of certified emission reductions, without double counting, as a means of closing the pre-2020 ambition gap”.

Der steinige Weg zu neuen Marktmechanismen

Die Entwicklung neuer marktbasierter Klimaschutzinstru­mente steht bereits seit einigen Jahren auf der Agenda der Kli­makonferenzen. Die Ansichten darüber gehen jedoch weit auseinander: Die EU unterstützt den auf dem Gipfel von Doha etablierten „neuen Marktmechanismus” (NMM), ein zentral von der COP eingesetztes und beaufsichtigtes Instrument. Japan, die Vereinigten Staaten und andere Industrieländer
dagegen befürworten eine lose Klammer für nationale Offset­ting-Mechanismen, das so genannte „Framework for various approaches” (FVA). Das Framework soll die Anerkenung von Zertifikaten aus Systemen wie dem japanischen Joint Crediting Mechanism (JCM) regeln. Das Design, die Methoden und die (zumeist weniger rigorosen) Regeln zur Berechnung der Emissionsreduktion verbleiben hierbei bei den National­staaten. Schließlich wenden sich eine Reihe Lateinamerikani­scher Länder gegen marktbasierte Instrumente als Ganzes; sie haben stattdessen das Konzept „nicht markbasierter Ansätze” (NMA) eingebracht.

Auf der Klimakonferenz von Doha war die Entwicklung von Modalitäten und Verfahren für den NMM bis zum Gipfel von Warschau beschlossen worden. Allerdings hat sich der Wind seit dieser Entscheidung gedreht - dies trat auf den schlep­penden Verhandlungen auf der Tagung der Nebenorgane im Juni 2013 offen zutage (vgl. CMR 02-2013). Die Entwicklungs­länder sind immer weniger bereit, die Notwendigkeit neuer marktbasierter Instrumente anzuerkennen, solange die Indus­trieländer derart schwache Klima-Ambition zeigen und damit keine Nachfrage für Marktmechanismen zu erkennen ist. Auch ein zusätzlicher UNFCCC-Workshop im Oktober brachte keine Annäherung der Positionen.

Die Verhandlungen in Warschau waren daher vom selben An­tagonismus geprägt zwischen den Einlösen des Mandats von Doha und der kompletten Ablehnung marktbasierter Instru­mente. Konsequenterweise lag am Ende ein Verhandlungstext mit zwei völlig gegensätzlichen Optionen vor: Option eins schlug ein Moratorium für neue Marktmechanismen vor, während Option zwei Elemente für NMM Modalitäten und Verfahren enthielt, darunter die Definition der Rolle der COP, Standards zur Erreichung von Netto-Treibhausgasminderun­gen, Klauseln zur Sicherstellung der Umweltintegrität, sowie Vorschriften für konservative Methoden zu (dynamischen) Referenzszenarien.

Dieser Graben erwies sich allerdings als unüberbrückbar, und die Verhandlungen wurden abgebrochen. Nachdem auch der eigens eingeschaltete Konferenzpräsident den Knoten nicht lösen konnte, wurden die Gespräche ohne Ergebnis auf das kommende Treffen der UNFCCC-Nebenorgane im Juni 2014 vertagt.

Anerkennung nationaler Initiativen

In den Verhandlungen zum FVA zeigte sich, dass ein Konsens über grundlegende Regeln wie gemeinsame Berechnungsme­thoden und ein adäquates Level an Transparenz nicht zu erzie­len war. Stattdessen drehten sich die Gespräche um die Ent­wicklung einer webbasierten Informationsplattform als ers­ten Schritt. Ein früher Textvorschlag benennt Aspekte, über die die Plattform berichten solle, darunter Fest-legungen zur Ver­meidung von Doppelzählungen, Regeln und Verfahren, die die Umweltintegrität sicherstellen, sowie Details zum Messen, Berichten und Verifizieren (Measuring, Reporting, Verification, MRV). Auch nicht-marktbasierte Instrumente sollten auf der Plattform berichten.

Allerdings konnten auch hier weder die Arbeitsebene noch die Konferenzpräsidentschaft Konsens erzielen. Die Gespräche werden im Juni wieder aufgenommen. Zwar tauchte die Idee einer Informationsplattform später noch einmal in einem Ent­wurf für die Entscheidung zur „Durban Platform” auf, sie schaffte es aber nicht in den finalen Beschlusstext.

Reform der bestehenden flexiblen Mechanismen

Die Diskussion über die Reform der grundlegenden Modalitä­ten und Verfahren des Clean Development Mechanism verlie­fen noch schwieriger. Sie begannen unter schlechten Vorzei­chen, da die Beratungen eigentlich bereits im Juni 2013 hätten starten sollen. Das zuständige Nebenorgan hatte allerdings wegen Streitigkeiten über Verfahrensfragen gar keine Ver­handlungen aufnehmen können und es fand nur ein infor­
meller Workshop außerhalb der Tagesordnung statt.

In Warschau debattierten die Verhandler über eine Liste mög­licher Änderungen am CDM-Regelwerk. Diese umfasste Präzi­sierung des Mandats der Mitglieder des CDM-Exekutivrats (Executive Board, EB), Stärkung der Rolle der Gastlandbehör­den, den Auschluss bestimmter Projekttypen wie Industrie­gasprojekte, Verbesserung der Anhörungsverfahren, Präzisie­rung der Zusätzlichkeitsregeln sowie die Verkürzung der Projektabrechnungszeiträume.

Die Delegierten bissen sich jedoch erneut am Thema „feh­lende Nachfrage” fest. Auch hier konnte keine Einigung erzielt werden, und die Reform der Modalitäten und Verfahren wurde auf das nächste Jahr vertagt. Allerdings verabschiedeten die Verhandler einen Beschluss, der zumindest eine Liste mögli­cher Reformelemente aufzählt und das weitere Verfahren fest­legt. Die Liste enthält die Themen EB-Mitgliedschaft, Haftung der Auditoren, die Regeln für Programmes of Activities (PoA), Länge der Abrechnungszeiträume, Zusätzlichkeitsregeln, Rolle der Gastlandbehörden, sowie die Verschlankung des Projekty­klus’. Das Klimasekretariat wird bis März 2014 mögliche Impli­kationen von Änderungen in diesen Feldern analysieren. Die Vertragsstaaten können bis April Eingaben zu dieser Analyse einreichen, sodass auf dieser Basis auf der Tagung der Neben­organe im Juni weiterdiskutiert werden kann, um die Entscheidungsfindung für den Klimagipfel im Dezember vorzu­bereiten.

Trippelschritte zur Weiterentwicklung des CDM

Neben der übergeordneten Reformdiskussion debattierte die Vertragsstaatenkonferenz auch über ihre jährliche Entschei­dung zur Lenkung und Weiterentwicklung des CDM. Die De­batte drehte sich unter anderem um die Standardisierung von Baselines (SBs). Diese ist vor allem für afrikanischen Staaten von Interesse, denn sie erhoffen sich von größerer Standardi­sierung eine Verringerung des Transaktionskosten, welche wiederum die Projektentwicklung nicht zuletzt in Afrika vo­ranbringen soll. SBs werden auch von der EU befürwortet, die sich davon verbesserte Möglichkeiten zum Upscaling und Er­weitern des Mechanismus verspricht. Die Diskussion wurde allerdings insbesondere von Brasilien gebremst, das darauf bestand, dass SBs freiwillig und nur auf Wunsch der Gastge­berländer angewendet werden dürfen.

Die Delegierten berieten auch Ansätze für Stabilisierung des CER-Markts. Ein Vorschlag zur Einführung einer unteren Preis­schwelle (floor price) scheiterte früh, während die Debatte um die freiwillige Löschung von CERs kontrovers und ausführlich geführt wurde. Brasilien und einige Industrieländer unterstüt­zen die Ausweitung und Präzisierung des Verfahrens für diese Option. Viele Vertreter aus den wenig entwickelten Ländern bekräftigten allerdings ihren Standpunkt, dass solche Maß­nahmen nur von der fehlenden Nachfrage aus den Annex I.­-Ländern ablenke.

Vor dem Hintergrund der gescheiterten Gespräche zu den neuen Marktmechanismen schlug die EU vor, dass das EB Möglichkeiten untersuchen möge, wie Nettominderungsef­fekte im CDM erzielt werden könnten. Andere schlugen vor, dass der „Green Climate Fund” eingeladen werden solle, den Methodenapparat des CDM zu nutzen, oder den Rahmen der Aufforstungs-/Wiederaufforstungsprojekte zu erweitern. Letzteres ging auf die afrikanischen Länder zurück, die ihr Potential in diesem Sektor durch die derzeitigen Regeln
beschränkt sehen.

In der Debatte über die freiwillige Löschung von CERs fuhren sich die Delegierten dermaßen in technischen Details fest, dass zum Ende der Verhandlungen in vielen Feldern aus Zeit­gründen keine Einigung erzielt werde konnte. Daher fielen die meisten kontroversen Themen aus dem Verhandlungstext he­raus, darunter die freiwillige Löschung selbst, aber auch alle Vorschläge zu Standardised Baselines oder zur Nettominde­
rung. Zur Marktsituation äußern die Delegierten lediglich „Be­sorgnis”. Die oben erwähnte Entscheidung zur Durban Plat­form geht hingegen mit ihrer Anregung zur freiwilligen Lö­schung durch Vertagsstaaten deutlich weiter.

Der finale Text enthält stattdessen vor allem technische Ver­besserungen und Präzisierungen, etwa bei Projekten, die am selben Standort wie ein bereits beendetes Projekt durchge­führt werden. Auch soll das freiwillige Tool zum Berichten über die Beiträge zur nachhaltigen Entwicklung des Gastge­berländer soll eine erneuten Bewertung unterzogen werden.

Darüber hinaus sollen die Schwellenwerte für Einzelaktivätiten unter PoAs überprüft werden und das Regelwerk für länderübergreifende PoAs verbessert werden. Die jährliche De­batte über die Zusätzlichkeitsregeln führte hingegen lediglich zur Aufforderung an das EB, „alternative Ansätze” in diesem
Bereich zu untersuchen.

Die Vertragsstaatenkonferenz begrüßt ausdrücklich die Ein­richtung der „Regional Collaboration Centres” durch das EB, mit deren Hilfe der CDM in bisher unterrepräsentierten Regio­nen vorangebracht werden soll. Schließlich soll das EB Infor­mationen zu den lokalen Anhörungsverfahren zusammenstel­len und die Gastlandbehörden auf Wunsch bei der Entwick­lung von Leitlinien für die Verfahren unterstützen.

JI-Reform in der Schwebe

Die schwindende Bedeutung von Joint Implementation spie­gelt sich in den zähen Verhandlungen zur Reform des Mecha­nismus wieder. Die grundlegende Überarbeitung des JI-Regel­werk erlitt das gleiche Schicksal wie die CDM-Reform - Wie­dervorlage zum Juni-Treffen. Die jährliche Lenkungsbeschluss zu JI unterstreicht lediglich, dass der Mechanismus verbessert werden muss. Das Joint Implementation Supervisory Commit­tee soll zudem seine Vorschläge präzisieren, wonach sich das Akkreditierungssystem für Auditoren sich dem des CDM an­nähern soll.

Fazit

Die Krise der bestehenden Marktmechanismen geht in erster Linie auf die Nachfrageklemme zurück. Dies macht es schwer zu erklären, weshalb neue marktbasierte Systeme eingeführt werden sollten: Ein Antrieb für die Erweiterung des bestehen­den Systems um den NMM war der Gedanke, eigene Klima­schutzanstrengungen der Entwicklungsländer anzureizen. Diese haben sich jedoch in der Zwischenzeit eingestellt, etwa in Form von NAMAs oder der Entwicklung von Emissionshan­delssystemen, wie die Beispiele China, Mexiko und Südkorea belegen.

Daher entfällt ein gewichtiges Argument für den NMM. Das Ergebnis von Warschau lässt die Entwicklung sowohl von NMM als auch FVA unwahrscheinlicher erscheinen. Damit wäre das einzige marktbasierte Instrument im 2015er Abkom­men der CDM. Ob dieses Szenario sich bewahrheitet, hängt von der Dynamik der diesbezüglichen Verhandlungen ab und wie in diesem Kontext „ambitionierter Klimaschutz” und des­
sen Umsetzung definiert werden wird (vgl. „Spätere Perspekti­ven für den Kohlenstoffmarkt nicht ausgeschlossen!“).

In der Zwischenzeit muss die CDM-Reform weiter und ent­schiedener vorangetrieben werden. Die überfällige Revision der Zusätzlichkeitsanforderung und die top-down Entwick­lung von Standardised Baselines sowie die Fortentwicklung des SB-Regelwerks sind nur zwei zentrale Elemente. Und wenn die freiwillige Löschung von CERs wirklich ausgebaut werden soll, dann muss auch die Herausstellung der Beiträge zur Nachhaltigen Entwicklung verbessert werden. Denn diese Käufer werden mit dem Zusatznutzen der Projekte werben
wollen.

Die Chancen für grundlegende Überholung des CDM müssen jetzt genutzt werden, um den Mechanismus für die Verwen­dung im neuen Klimaabkommen fit zu machen. Das Fenster dafür wird nicht mehr lange geöffnet sein.

 

Dieser Artikel wurde zuerst in der Carbon Mechanisms Review 4-2013 veröffentlicht.

 

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